Bild: St. Josefschule, Hanau-Grossauheim

"Wir sind alle 100% Mensch"

Die Schülerzeitung josefine hisst zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT) am 17. Mai eine Regenbogenfahne vor der St. Josefschule. Denn Lesben, Schwule, Bi, Trans, Inter, Queer oder andere sexuelle Orientierungen, kurz
LGBTIQ*, sind auch in der heutigen Gesellschaft immer noch ein Tabuthema und werden häufig diskriminiert. Dabei sind sie 100% Mensch wie du und ich.

Von Kim Mehmel*

Es ist der 17. Mai, IDAHOBIT-Tag 2022, der International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia. Phobie bedeutet eine übertriebene Angst vor etwas zu haben, was auch zu feindseligem Verhalten führen kann. Der Tag wird seit 2005 jährlich begangen, um auf die Diskriminierung von Menschen hinzuweisen, deren sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität von der Norm abweicht. Vor der St. Josefschule in Hanau-Grossauheim weist nun erstmals eine grosse Regenbogenfahne vom Projekt 100% MENSCH mit der Aufschrift „100% Mensch - Liebe, Recht, Respekt“ auf diesen Tag hin.

Aufgehängt hat sie die Redaktion der Schülerzeitung josefine. Um sich mit den Menschen aus der LGBTIQ-*-Community solidarisch zu zeigen, fragten die Redakteurinnen ihre Schulleitung, ob sie eine Regenbogenflagge am 17. Mai vor der Schule platzieren dürften. „Da machen wir mit“, lautete die prompte Antwort der stellvertretende Schulleiterin Julia Kreutz. Die St. Josefschule sei zwar eine Bistumsschule und der Kirche werden häufig eine altertümliche Sexualmoral und homophobe Ansichten zum Vorwurf gemacht. Dass es an der St. Josefschule etwas anders läuft, das zeige sich schon in ihrem Leitbild: Einander Raum geben zu Mut und Verantwortung. „Wir sind seit jeher eine offene Schule und haben selbstverständlich im Blick, dass sich die Schülerinnen frei von Angst und Vorurteilen entwickeln können“.

Umfragen zeigen, dass Homosexuelle und andere sexuelle Orientierungen in ihrem täglichen Leben häufig unter Mobbing, Diskriminierung oder Gewalt leiden. In der grössten Umfrage dazu mit 140.000 befragten LGBTIQ*-Personen kam die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte im Jahr 2020 zum Ergebnis: sechs von zehn Befragten trauen sich nicht, mit ihren Partner*innen in der Öffentlichkeit Hand in Hand gehen, um Beschimpfungen zu vermeiden. In einer anderen Studie hat jeder zweite LGBTQ-Jugendliche Beleidigungen und Beschimpfungen wie Schwuchtel, Du Homo, Schwule Sau oder Lesbe erlebt, jeder Zehnte musste schon aufgrund seiner Orientierung Gewalt und körperliche Angriffe erleben.

Die genauen biologischen Zusammenhänge für die eigene sexuelle Ausrichtung sind noch unklar. Für Janos Erkens, bis vergangenes Jahr Berater bei der
Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt und in dem Thema selbst engagiert, ist aber klar, dass schwul, lesbisch und andere sexuelle Orientierungen eine Variation des Menschen sind. „Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen deutlich, dass die eigene sexuelle Ausrichtung keine Einbildung, sondern durch genetische Faktoren und Umwelteinflüsse vorgegeben ist, man kann sie nicht willentlich ändern“, schreibt er auf Anfrage der josefine-Redaktion.

Wir fragen Janos Erkens, warum Homophobie dann trotzdem noch so weit verbreitet ist. „Wir sind alle mit dem klassischen Familienbild aufgewachsen, auch Unwissenheit führt zur Angst vor dem Unbekannten“, so seine Antwort. Viele Menschen kennen Schwule und Lesben nicht selbst, sondern nur aus Gerüchten oder den Medien und hätten daher Vorurteile. Eltern, Lehrer, die Kirche, Politiker und Prominente hätten daher eine grosse Vorbildrolle, die Akzeptanz der Geschlechterdiversität in der Gesellschaft mit zu formen.

Die josefine-Redaktion hat Bischof Michael Gerber vom
Bistum Fulda, dem Schulträger der St. Josefschule, nach seiner Sicht und Erfahrung mit der LGBITQ-Community gefragt. „Als Kirche begegnen wir allen Personen mit Wertschätzung, Achtung und Respekt. Das gilt gerade auch für homosexuelle Menschen“, antwortete Bischof Michael Gerber. Bei der Initiative #OutInChurch, bei der sich im Januar 125 queere und für die katholischen Kirche tätige Menschen wie Priester, Ordensbrüder, Gemeindereferentinnen, Bistums-Mitarbeitendeund, Religionslehrer, Erzieherinnen, Sozialarbeiter und viele mehr geoutet haben, habe sich auch eine Person befunden, die zu seinem engen Freundeskreis zähle. „Das hat mich sehr berührt und wir beide hatten ein sehr langes Gespräch über die Erfahrungen, die diese Person im Zusammenhang mit der Aktion gemacht hat“.

Das Anliegen, wie Gesellschaft und Kirche mit Menschen aus der LGBITQ-Community umgehen, beschäftige sehr viele. So sei die Dokumentation
„Wie Gott uns schuf“ zur Aktion #OutInChurch die meistgesehene Dokumentation in der ARD-Mediathek im ersten Quartal dieses Jahres. „Meine persönliche Erfahrung ist: Wo ich mit Menschen, die sich geoutet haben, in den direkten Kontakt komme, von ihrer Geschichte, ihren Erfahrungen erzählt bekomme, werden viele Fragen sehr konkret“, so Bischof Michael Gerber. Daraus entstehe und wachse die Sensibilität für Gerechtigkeit und Respekt.

*dies ist ein Update zu Kims
ursprünglichen Artikel vom 17.05.2021. Da Kim kurz vor der Abschlussprüfung steht, hat ausnahmsweise Andreas Grote (Leiter von josefine) den Text in Abstimmung mit Kim aufgeschrieben.