Schulleiterin Petra Höller-Gaiser in ihrem Büro (Foto: privat)

"Die meisten Schülerinnen brauchen den direkten Kontakt"

Unsere Redakteurinnen Lucy und Henriette wollten von der Schulleitung der St. Josefschule wissen, wie die Corona-Pandemie sie bei ihrer Arbeit beeinträchtigt.

Ein Interview von Lucy Pospischil und Henriette Thommessen

josefine: Frau Höller-Gaiser, wir befinden uns nun seit über einem Jahr schon in der Corna-Pandemie. Ist die Schule im Homeschooling schwerer zu leiten als wenn die Schülerinnen richtig in der Schule sind?

HG: Am schönsten ist es natürlich, wenn ihr alle da seid. Doch wir geben unser Bestes, damit ihr auch im Distanzunterricht so viel wie möglich lernt. Dafür mussten wir viel gemeinsam überlegen und vieles anschaffen und neu ausprobieren. Z. B. haben wir für alle Unterrichtsräume zusätzliches Wlan, Laptops, Beamer, Mikrofone und so weiter angeschafft, damit wir Lehrer:innen und auch Schülerinnen, die nicht in der Schule sein können, zuschalten. Wir haben mit euch gemeinsam schon im September das Distanzlernen geprobt, ihr ward alle zu Hause und die Lehrer:innen in der Schule vor den Bildschirmen, um mit euch das Distanzlernen zu üben, falls die Schule wieder schließt und so ist es ja auch gekommen. Doch wir waren vorbereitet auch, weil wir immer schon weitergedacht haben und wir alle gemeinsam die Ärmel hochgekrempelt haben und an einem Strang ziehen. Wir sind durch diese Krise noch mehr zusammengewachsen und so kann ich sagen, ja, es ist schwerer, denn es gibt unwahrscheinlich viel mehr zu tun. Doch es macht mir auch große Freude gemeinsam mit dem Kollegium und allen Mitarbeiter:innen zu gestalten und zu sehen, dass es gut wird.

josefine: Wären Sie eine Schülerin, würden Sie im Unterricht auch mal verbotenerweise etwas essen oder auf das Handy schauen?

HG: Ich war natürlich auch mal eine Schülerin, genau wie ihr. Und ich habe auch Verbotenes gemacht, das gebe ich offen zu. Gleichzeitig muss ich jetzt als Schulleiterin darauf achten, dass gewisse Regeln eingehalten werden. Nicht einfach nur so der Regel wegen, sondern damit die Gemeinschaft funktioniert. Wenn jeder macht, was er will, kann es sein, dass Schwächere immer übervorteilt werden. Dann kann es sein, dass manche Schülerinnen nicht mehr in die Schule kommen, dann kann es sein, dass sich Schülerinnen unwohl fühlen. Nur aus diesem Grund achte ich auf Regeln. Im Unterricht zu essen ist natürlich nicht so gut, weil man abgelenkt ist, das Gleiche gilt auch für die Nutzung des Handys.

josefine: Gibt es von Schülerinnen, Lehrern und Eltern mehr Lob oder mehr Beschwerden im Homeschooling?

HG: Auf jeden Fall mehr Lob und das freut mich sehr. Wenn ich wertschätzende Mails bekomme, schicke ich sie immer weiter an die Lehrkräfte, damit sie wissen, dass ihre Arbeit geschätzt wird. Denn eure Lehrerinnen und Lehrer leisten zurzeit so viel, sie opfern ihre Freizeit für euch. So sollen sie auch lesen, dass es sich lohnt und dass viele Eltern und Schülerinnen ihre Leistung sehen und anerkennen. Es gibt aber auch Kritik, z. B. dass es zu kalt im Klassenzimmer ist, weil wir sehr konsequent lüften, dass es unverantwortlich sei, dass ich das Tragen der Masken nicht abschaffe und Ähnliches mehr. Damit muss ich umgehen, was nicht immer leicht ist. Wir geben unser Bestes, doch das ist eben für jeden auch etwas anderes.

josefine: Hatten Sie, als die Corona-Pandemie begann, Angst ihren Job zu verlieren oder die Schule schliessen zu müssen?

HG: Nie. Warum auch? Eine Schulleiterin ist in diesen Zeiten besonders wichtig, sie muss den Überblick behalten und „das Schiff steuern“. Wir haben zwar manchmal keinen Unterricht in der Schule, doch Schule, also Lernen, findet ja doch statt und ist in diesen Zeiten wichtiger denn je. Alle sehen ja jetzt wie „systemrelevant“ Schule ist. Wenn die Schülerinnen nicht in der Schule betreut werden, können Eltern nicht arbeiten. Wenn Eltern nicht arbeiten können, funktioniert die Wirtschaft nicht und ohne Wirtschaft kann ein Staat auch nicht überleben. Ganz davon abgesehen, dass nur Menschen mit Bildung, Krisen meistern können. Sie packen an und finden Lösungen. Wir stecken gerade in einer großen Krise und wir erziehen Mädchen zu verantwortlich handelnden Menschen. Was gibt es Wichtigeres?

josefine: Denken Sie, dass sich viele Schülerinnen überfordert fühlen mit der jetzigen Situation?

HG: Ja, das denke ich nicht nur, das weiß ich auch. Wir sind ja immer im Gespräch mit unseren Schülerinnen. Außerdem hören wir das ja auch täglich in den Medien. Es ist so deutlich zu sehen, dass in dieser Corona-Krise, die Schülerinnen gut durch die Krise kommen, die zum einen ohnehin gut organisiert sind und diejenigen, die viel Unterstützung von zu Hause erhalten. Die Schülerinnen, denen Struktur fehlt und vielleicht zusätzlich auch noch Eltern haben, die viel arbeiten müssen und deshalb wenig helfen können, haben es besonders schwer. Das ist nicht immer gerecht. Wir versuchen, diese Unterschiede mit in den Blick zu nehmen, doch wir können nicht alles ausgleichen. Es gibt ein paar wenige, für die ist Distanzlernen, also sehr eigenständiges Lernen optimal, doch die meisten Schülerinnen brauchen den direkten Kontakt. Wir werden demnächst einen Pädagogischen Tag haben, an dem wir uns genau dieser Frage widmen werden: Wie können wir Schülerinnen unterstützen, die sich überfordert fühlen?

josfine: Frau Höller-Gaiser, vielen Dank für das Interview.