Ohrenkuss - da rein, da raus
Wie es zum dem Magazin kam, in dem nur Menschen mit Down­-Syndrom schreiben.

Von Noura Götting


Es ist noch gar nicht so lange her, da war man der Ansicht, dass Men­schen mit Down-­Syndrom weder schreiben noch lesen lernen können. Doch als die noch junge Biologin Katja de Bragan­ca. 1987 bei einem Vor­trag von einem jungen Mann mit Down-­Syndrom hörte, der die Geschichte von Robin Hood nacher­zählen konnte, kam ihr die Idee, ein Magazin zu machen, in dem nur Men­schen mit dieser geneti­schen Besonderheit schreibem.

Bei ihnen ist das Chromosom Nummer 21 dreimal statt doppelt vorhanden, die Beson­derheit nennt man daher auch Trisomie 21. Men­schen mit Down-Syndrom haben so 47 statt 46 Chromosomen.

Das Magazin sollte ande­ren mehr über die Fähig­keiten von Menschen mit Down­-Syndrom zeigen.
Anna-­Lisa Plettenberg von Ohrenkuss sagt: „Ich will, dass alle wissen: Menschen mit Down­-Syn­drom können lesen, schreiben und rechnen. Und dass die schlau sind!“

1998 kam die erste Aus­gabe heraus. Zum Na­men „Ohrenkuss“ kam es, als sich alle Journalisten zur einer Sitzung in einer Eisdiele trafen. Michael Häger küsste die Chefre­dakteurin de Braganca aufs Ohr und alle ande­ren schrien „Ohrenkuss, Ohrenkuss“. So entstand der Name des Magazins.

Nachher erklärte das Team noch besser, warum der Name zum Magazin passt: „Man hört und sieht ganz vieles. Das meiste davon geht zum einen Ohr hinein und sofort zum anderen Ohr wieder hinaus. Aber manches ist auch wichtig und bleibt im Kopf – das ist dann ein Ohrenkuss.“

Eine neue Ausgabe des
Ohrenkuss erscheint alle sechs Monate und be­handelt jeweils ein einziges The­ma, zu dem die Journalisten schreiben wollen. In der Vergan­genheit waren das zum Beispiel Themen wie Mu­sik, Mode oder die Mon­golei. Dafür wird häufig vor Ort recherchiert, Fo­tos gemacht und Inter­views geführt, auch mit Prominenten.

Alle zwei Wochen treffen sich die 14 erwachsenen Ohrenkuss­-Journalistin­nen und Journalisten in der Redaktion in Bonn. Ih­re Texte diktieren sie entweder oder schrei­ben sie selbst. Dazu kommen noch über 50 Ohrenkuss­-Journalisten in anderen Städten und anderen Ländern, die ih­re Texte per eMail oder Post nach Bonn in die Re­daktion schicken.



Redaktionstreffen der Ohrenkuss-Redakteure in Bonn (Fotos: Ohrenkuss)

Jeder Journalist hat dabei seinen eigenen un­verwechselbaren Stil. Die Texte werden nicht korri­giert, sondern kommen so, wie sie geschrieben oder diktiert wurden, ins Magazin.

Leser können das Maga­zin abonnieren, damit es auch in Zukunft erschei­nen kann. Das ist auch für die Ohrenkuss­-Jour­nalisten sehr wichtig. Oh­renkuss ist sehr erfolgreich und gewann 2019 den Smart Hero Award sowie davor schon viele andere Aus­zeichnungen. <<